Starke Joss Stone, grossartiges Konzert

Konzertkritik: Joss Stone im Kaufleuten
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

«Sie hat vorhin schon schon eine ganze Stunde geprobt», flüstert eine Konzertbesucherin ihrer Begleitung aufgeregt vorfreudig zu. «Das hat im Fall super geklungen!» Sie sollte recht behalten. Die beiden Konzertgängerinnen waren schon früh angereist, um die englische Soul-Sängerin Joss Stone im Kaufleuten zu sehen. 

 

Die Sängerin schwebte wenig später in einem weissen Kleid und langen, wallenden blonden Haaren leichtfüssig auf die Bühne. Barfuss, wie es sich für Joss Stone traditionell gehört. Wer Joss Stone schon live gesehen hat, war versucht zu denken, dass man vor den «Zehn-Uhr-Nachrichten» locker wieder zuhause sein dürfte. Joss war in der Vergangenheit nicht für lange Konzerte bekannt. 70 Minuten konnten schon mal vorkommen. Nicht so im Kaufleuten, wo sie das Set nach rund zwei Stunden mit «Some Kind Of Wonderful» und mit einem Strahlen im Gesicht beendete, während sie Sonnenblumen an ein paar Glückliche im Publikum verteilte. 

 

Joss Stone war ja auf der Bühne noch nie schüchtern, wirkte bei früheren Konzerten eher als ob ihr der Job sehr viel Spass bereiten würde. Aber in Zürich hat sie noch einmal aufgedreht. Kann sein, dass es daran lag, dass es das erste Konzert seit dem 3. August war. Jedenfalls zeigte sich Joss bestens gelaunt und zum Scherzen aufgelegt. So flirtet sie mit den Besuchern, die immer wieder Songwünsche in Richtung Bühne riefen und kokettierte, man habe zum ersten Mal einen Computer dabei und sie wisse daher gar nicht, was möglich sei. Dann drehte sie sich zum Gitarristen und fragte: «Boss?» 

 

 

Aber neben den Wünschen boten Joss Stone und ihre Band ein ausgesprochen homogenes Konzert mit einer Mischung aus alten und neuen Songs. Eröffnet wurde mit «You Had Me» und schon sah man im Kopf das Hippie-Mädchen, das sich damals vor nicht ganz zehn Jahren bei «Wetten dass…» barfuss und mit einer Stimme, die staunen lässt, in die Herzen der Menschen gesungen hat. Die Stimme hat sie noch immer, jedoch ist sie, so gewinnt man den Eindruck, noch stärker, noch voluminöser und Joss versteht es, sie einzusetzen. Sie lässt sie spielen, singt voller Leidenschaft Zwischenparts und bringt viel Seele in Songs, die sie eigentlich nicht mag. «Ich habe den Song anfangs gehasst», erklärt Joss zu «Don’t Cha Wanna Ride?». Inzwischen hätte sie damit aber ihren Frieden gemacht. Das beweist sie eindrücklich und macht den Songs vom zweiten Album «Mind, Body & Soul» zu einem Highlight im Set, nicht zuletzt durch die wabernde Hammond-Orgel im Hintergrund, die ihre Stimme wunderbar umgarnt.

 

Die 28-Jährige Engländerin ist längst ein alter Hase im Show-Business, aber Feuer hat sie noch immer. Heute versteht sie dieses Feuer auch mal mit ruhigen Passagen zu dämmen, mit der Stimmung zu spielen und – nicht zuletzt – kann sie sich voll und ganz auf ihre Stimme verlassen. Die bricht keinen Moment. Das gibt ihr das Selbstbewusstsein, um mit dem Publikum zu schäkern und so passt inzwischen bei Joss Stone alles. Von der Länge des Konzertes über die bestechend gute Songauswahl bis zur Hauptakteurin und ihrer warmen und beeindruckenden Stimme. Die beiden Fans, die schon die Probe gehört hatten, waren vom Konzert jedenfalls begeistert und verschwanden mit zufriedenen Gesichtern in der milden Nacht. 

 

Joss Stone hat alles. Sie ist talentiert, besitzt eine Stimme, wie sie nur selten vorkommt, sie ist hübsch, sie kommt beim Publikum gut an und sie ist inzwischen nicht mehr nur das «Hippie-Mädchen», das barfuss singt, sondern eine gestanden Soul-Sängerin

 

Patrick Holenstein / Mo, 05. Okt 2015